INTERVIEW: Moderne Apotheke in historischem Gemäuer

Drucken
Stern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktivStern inaktiv
 

Im PULS-Interview erklärt Martin F. Wolkersdorfer, Apothekenleiter der Landesapotheke in Salzburg, die Leistungen der Salzburger Landesapotheke für die Arzneimittelversorgung in Salzburg 

 

Sie sind die zentrale Anlaufstelle in Sachen Arzneimittelversorgung bei Notfällen. Was darf man sich darunter vorstellen? 

Wolkersdorfer:  Wir, als Salzburger Zentralapotheke, versorgen - bis auf einige wenige Häuser (Barmherzige Brüder, Kardinal Schwarzenberg Klinikum und Tauernklinikum) - fast alle Krankenhäuser und viele Gesundheitseinrichtungen im Bundesland Salzburg. Dafür haben wir ein großes Lager und verfügen über eine entsprechende Logistik, die sich auch im Krisenfall bewährt hat. Das konnten wir zum Beispiel bei der Versorgung mit Covid-Impfstoffen und -Medikamenten unter Beweis stellen. Eine österreichweit zentral angelegte Logistik funktioniert einfach schwerfälliger. Wir hingegen können uns auf unsere etablierten Prozesse verlassen und sind resilient aufgestellt. Seit der Pandemie haben die Behörden in jedem Bundesland eine Apotheke als zentrale Anlaufstelle und „Single Point of Communication“ bestimmt. Wir haben diese Rolle für das Bundesland Salzburg übernommen. Regelmäßig finden Jour fixe zum Informationsaustausch und zur Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden statt. Dabei geht es mittlerweile nicht mehr „nur“ um die Covid-Medikation, sondern allgemein um wichtige Arzneimittel und Lieferschwierigkeiten. Diese Kooperation hat sich bewährt und wird daher weiterhin bestehen bleiben. Wir haben viel kompensieren können, was an sonstiger Organisation vielleicht nicht immer optimal verlaufen ist. Die Bedeutung der Krankenhausapotheken wurde dadurch bestimmt gestärkt.

 

Hat jede Apotheke die Möglichkeit alle Medikamente weltweit zu bestellen?

Wolkersdorfer:  Im Prinzip ja, aber es macht eben nicht jeder, weil es ein großer bürokratischer Aufwand ist. Für Krankenhausapotheken ist es Usus, für öffentliche Apotheke eher die Ausnahme, weil sie auch nicht dieselben Anforderungen haben wie eine Krankenhausapotheke. Dort geht es um andere Mengen und Produkte. Bei nicht lieferbaren Produkten müssen wir rasch um Ersatz schauen: Ein guter Kontakt zur Industrie ist wichtig, um rechtzeitig Kenntnis über Lieferschwierigkeiten zu erhalten und gegebenenfalls Medikamente aus dem Ausland besorgen zu können. Wir sind auch Verhandlungspartner gegenüber der Pharmaindustrie hinsichtlich strategischen Einkaufs und wickeln den Medikamenteneinkauf für alle Krankenanstalten in unserem Versorgungsbereich ab. Ebenso führen wir Ausschreibungen nach dem Bundesvergabegesetz durch.

 

Verfügen wir in Österreich über die neuesten Arzneimittel am weltweiten Markt?

Wolkersdorfer:  Aufgrund des guten Rufs, den Österreich im Bereich der klinischen Forschung hat, sind wir für die Pharmaindustrie trotz unserer geringen Größe ein interessantes Land, sodass viele innovative Medikamente in Österreich im Rahmen von Studien schon früh in der Entwicklung verfügbar sind. Manche Medikamente sind auch außerhalb von  Studien bereits vor der Zulassung durch spezielle Programme erhältlich. Das alles hängt vom Engagement aller Beteiligten ab und hilft im Endeffekt dem Patienten und führt in weiterer Folge zu einer Kostenersparnis.

 

Stichwort Medikamentenknappheit: Produzieren sie auch eigene Medikamente?

Wolkersdorfer:  Wir haben eine Betriebsbewilligung wie die pharmazeutische Industrie und stellen Nischenprodukte her. So sind wir auf die Produktion von sterilen Injektions- und Infusionslösungen spezialisiert, die wir dem österreichischen Gesundheitsmarkt zur Verfügung stellen. Wir sind auch GMP und GDP zertifiziert (Anm. GMP - Good Manufacturing Practice/GDP - Good Distribution Practice). Die Landesapotheke Salzburg hat eine lange Historie in der Produktion von Arzneimitteln, da sie schon immer angehalten war, im Notfall Präparate selbst produzieren zu können, so eben auch Infusionen. Dadurch war die Produktion in der Apotheke recht stark verankert. Die Modernisierung der Produktion auf Industrieniveau war eines meiner Kernziele als ich vor vielen Jahren in der Landesapotheke meine Tätigkeit aufgenommen habe. Natürlich gerät man bei Rohstoffknappheit sehr rasch an die Grenzen der Machbarkeit, da geht es uns natürlich nicht anders als der Pharmaindustrie.

Einige unserer MitarbeiterInnen in der Logistikabteilung sind tagtäglich mit nichts anderem beschäftigt, nicht lieferbare Medikamente durch andere zu substituieren, zu besorgen – teilweise weltweit - und die Stationen der Krankenhäuser darüber zu informieren. Dies ist mit einem enormen Aufwand verbunden, der sich aber hinter den Kulissen abspielt.

 

Stichwort Forschung: Wie ist die Landesapotheke darin involviert?

Wolkersdorfer: Neben dem Gebrauchsfertigmachen von Studienmedikation für Industriestudien, wie es für jede größere Klinikapotheke üblich ist, stellen wir in unserer GMP-zertifizierten Arzneimittelproduktion auch Studienmedikation für einzelne Forschungsabteilungen von Universitätskliniken in Österreich und Deutschland her. 

 

Sind Veränderungen im Rahmen der Arzneimittelbeschaffung geplant?

Wolkersdorfer:  Es gibt Tendenzen den Einkauf und die Bewertung von Arzneimitteln zu zentralisieren. Diese können jedoch nur Empfehlungscharakter haben. Im Endeffekt sind die lokalen Arzneimittelkommissionen diejenigen, die gesetzlich befugt sind, die Auswahl der Arzneimittellisten der einzelnen Krankenhäuser festzulegen. Die Krankenanstalten sind für die Sicherstellung des gesetzlich gebotenen Behandlungsniveaus rechtlich verantwortlich. Die Therapieverantwortung trägt schlussendlich der behandelnde Arzt. 

Aufgrund der Vernetzung der österreichischen Krankenhausapotheken und der Bildung von Einkaufsgemeinschaften ist es bereits gelebte Praxis, österreichweit den gleichen Zugang bzw. den gleichen Preis speziell für innovative Hochpreisarzneimittel sicherzustellen. Unterstützt werden wir von den medizinischen Expertenboards, die sich österreichweit gefunden haben.  Wir, die nahe am Patienten agieren, können sowohl den Bedarf abschätzen als auch den Outcome evaluieren.

 

Was ist ihnen persönlich wichtig?

Wolkersdorfer: Die Zusammenarbeit im Team und eine gute Organisation mit möglichst geringen Reibungsverlusten in der täglichen Praxis, damit wir durch unser Tun in erster Linie die optimale Versorgung der Patienten sicherstellen können, sind mir die größten Anliegen. Viele Dinge sind sehr bürokratisiert. Dieser Umstand kostet oft viel Zeit, vor allem in Krisensituationen. Daher gilt es möglichst effizient zu bleiben, was unserem Team auch sehr gut gelingt.

 

Sie sind ein vielbeschäftigter Manager. Wie gestalten Sie persönlich in Ihrer Freizeit?

Wolkersdorfer: Im Endeffekt stehen Familie und Sport im Vordergrund. Ich bin begeisterter Mountainbiker und reise gerne, wenn es die Zeit zulässt.