Wir brauchen mehr Eigenverantwortung und Gesundheitskompetenz

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Im großen PULS-Interview gibt Gesundheitslandesrätin Daniela Gutschi einen Ausblick auf gesundheitspolitische Vorhaben im Bundesland Salzburg und fordert mehr Gesundheitskompetenz sowie ein gesamtgesellschaftliches Mitdenken ein, um das Gesundheitssystem zu gewährleisten.

 

Wie hoch ist das Budget für Gesundheit in Salzburg 2025 und wo liegen die Schwerpunkte?

Gutschi: Wir haben heuer ein Rekordbudget. Insgesamt fließen 1,3 Milliarden Euro in den Bereich Gesundheit. Das sind um 154 Millionen Euro mehr als 2024. Es gibt in der Regierung ein sehr klares Commitment, dass man gerade im Gesundheitsbereich nicht sparen kann und wir daher diese Steigerung haben. Es werden derzeit große Infrastrukturprojekte umgesetzt, wie die III. Medizin in der SALK, der Bau der Psychiatrie (Anm. Fertigstellung 2026) oder die Forensik am Gelände der CDK. Da ist sehr viel am Laufen und viele andere Projekte folgen. Parallel dazu gibt es die Vereinbarung die regionale Gesundheitsversorgung zu stärken. So ist etwa der Neubau des Tauernklinikum in der Endphase. Ein wunderbares Haus, das Ende 2025 fertig gestellt wird.

 

In der Gesundheitspolitik stehen sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene viele Reformen an. Welche Themen möchten Sie gesundheitspolitisch im Jahr 2025 im Bundesland Salzburg vorantreiben?

Gutschi: Ich habe mir für diese Legislaturperiode vorgenommen, dass wir massiv in Prävention investieren werden, um die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu stärken. Gerade bei Kindern und Jugendlichen gibt es große Probleme in den Bereichen Ernährung, Adipositas und Bewegung. Hier sind präventive Aufklärung und Maßnahmen notwendig. Zum anderen geht es um Gesundheitskompetenz. Wir erleben, dass sehr viele Leute mittleren Alters nicht mehr die Gesundheitskompetenz der Vorgänger- bzw. Elterngeneration haben. Es gibt Eltern, die etwa bei einem fiebrigen Kleinkind sofort das Krankenhaus aufsuchen, weil sie einfach nicht mehr wissen was zu tun ist. Zum Beispiel ein paar Essigpatscherl anlegen, um ein einfaches Beispiel zu nennen. Daher müssen wir in die Gesundheitskompetenz investieren. Und es geht auch um eine entsprechende Lenkung der Patientenströme. Darum ist der Ausbau des Gesundheitstelefon 1450 wichtig und ein weiteres Thema, das ich vorantreiben möchte. 

 

Was heißt Prävention in der Praxis?

Gutschi: Wir müssen das Gesundheitssystem klarer abstufen. Es geht los bei Präventionsprojekten. Dazu zählen zum Beispiel Programme zu Dickdarmvorsorgeuntersuchungen. Grundsätzlich müssen alle Vorsorgeuntersuchungen vermehrt wahrgenommen werden. Andererseits geht es darum die Patientenströme so zu lenken, dass jeder an der richtigen Stelle landet. Die erste Station ist der niedergelassene Bereich vor Ort und in der Regel nicht das Krankenhaus. Daher ist es notwendig in die Digitalisierung zu investieren, wo man versucht viele Dinge telemedizinisch vorab abzuklären, um Patienten gegebenenfalls eine weite Anreise zu ersparen. Dazu gibt es schon Pilotprojekte. Die Schlagwörter "Digital vor Ambulant vor Stationär" müssen gelebt werden. Klar ist, wir müssen versuchen das die Ambulanzen nicht noch mehr explodieren. Aufgrund unserer alternden Gesellschaft haben wir die Situation, dass wir immer mehr Akutfälle in den stationären Einrichtungen zu versorgen haben. Ich bin ein großer Fan der regionalen Versorgung, aber ohne Kirchturmdenken, sondern mit einem großen Blick über das gesamte Bundesland hinaus und unter Mitwirkung der Bevölkerung – sonst wird das nicht funktionieren.  In Dänemark überlässt man zum Beispiel dem Einzelnen sehr viel Eigenverantwortung. Das gilt es auch für Österreich zu überlegen. So zum Beispiel mehr Operationen im tagesklinischen Bereich durchzuführen, weil man es den Menschen zutraut in der Früh nüchtern zur Operation zu kommen und nicht alles überwachen muss. Hier gibt es viel Dreh- und Angelpunkte. Es ist zugegeben ein komplexer Weg. In Österreich gibt es zudem leider die Tendenz Operationen und Therapien möglichst lange aufzuschieben. So entstehen akute Situationen, wo man dann so schnell wie möglich einen OP-Termin haben möchte. Dann fehlen Kapazitäten und die Folge sind lange Wartezeiten, etwa für eine Hüft-OP. Das meine ich mit aktiver Mitwirkung. Das man eben Vorsorge wahrnimmt und frühzeitig Therapien beginnt. Die Menschen warten oft zu lange zu, wie mir Experten bestätigen.

 

Wie stehen Sie zum derzeitigen Wahlarztsystem – sollte dieses verändert werden?

Gutschi: Wahlärzte sind ein wichtiger Bestandteil unseres Gesundheitssystems. Aber das Kassensystem muss für die Ärzte attraktiver werden. Da geht es um Dinge wie flexible Arbeitszeiten, um Geld oder wie kann man sich eine Praxis teilen. Anderseits ist mir ein solidarisches Denken der Wahlärzte ebenso wichtig. Es gilt mitzudenken, dass es Menschen gibt, die sich keine hohen finanziellen Belastungen leisten können. Wer in eine private Krankenversicherung einbezahlt soll aber auch die dafür vereinbarten Leistungen erhalten. Das ist kein Widerspruch. Denn wir haben grundsätzlich ein hervorragendes Gesundheitssystem.

 

Gibt es Konzepte zur Sicherung und Aufrechterhaltung der ambulanten Versorgung vor allem in ländlichen Gebieten? 

Gutschi: Wir werden in Salzburg eine Gesundheitsholding ins Leben rufen, als Dach über die Fondskrankenanstalten. Die Idee ist deshalb geboren, weil sich Gemeinden wie Oberndorf oder Zell am See nicht mehr in der Lage sehen für die Finanzierung der Krankenhäuser zu sorgen und eine hundertprozentige Abgangsdeckung seitens des Landes verlangen. Das übernehmen wir gegen ein entsprechendes Mitspracherecht. Es wird auch auf Grund der immer schneller fortschreitenden Entwicklung in Medizin und Wissenschaft nicht mehr möglich sein, dass an jedem Standort alle Fächer und Leistungen angeboten werden. Es muss aber eine Grundversorgung gegeben sein. Deshalb auch die Gesundheitsholding wo man Synergien nutzten kann. Etwa beim Thema des Einkaufs. 

Es soll überall ein selbstständiges Management erhalten bleiben, aber im Austausch untereinander um über das ganze Land die richtigen Maßnahmen setzen. Das geschieht bisher nur bilateral. Es geht um eine gesamtplanerische Sicht und Maßnahmen. Etwa wie sieht das kardiologische Angebot und Leistungen in den kommenden fünf Jahren in ganz Salzburg aus? Was sind die notwendigen Erstversorgungsmaßnahmen und wo geht es um konkrete Expertise und wo wird diese verortet - das muss auch nicht immer am Uniklinikum sein – sondern auch regional.

 

Die Ärzte und das Geld. Wie stehen sie zum Honorarsystem für Ärzte. Braucht es eine Reform des Honorarsystems?

Gutschi: Was den niedergelassenen Bereich anbelangt kann ich mich nicht äußern, das ist Sache der Ärztekammer und der Sozialversicherungen. Was die Gehälter der Spitalsärzte anbelangt wird es schrittweise eine Anhebung geben. Generell wird es eine bundesweite Harmonisierung geben müssen, weil wir uns unter den Bundesländern mit den Bezügen sonst immer weiter nach oben lizitieren, um Mitarbeiter zu bekommen. In Salzburg muss es dennoch attraktive Arbeitsplätze bzw. ein Umfeld geben, dass Ärzte hier gerne arbeiten und auch gute Entwicklungsmöglichkeiten im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit haben. Hier haben wir mit der PMU einen ganz wichtigen Partner. 

 

In Krankenhäusern, bei niedergelassenen Ärzten und vielen anderen Gesundheitseinrichtungen sowie auch in der Pflege, fehlen im Bundesland Salzburg hunderte Fachkräfte. Wie wollen Sie dieser Personalkrise in den nächsten Jahren begegnen?

Gutschi: Wir brauchen mehr Pflegepersonal und wir nehmen auch immer mehr auf. Es wird oft so getan, als würde es immer weniger Personal geben, in Wirklichkeit werden es immer mehr Kräfte. Und wir bilden auch ständig aus. Die Ausbildungsplätze werden stark ausgebaut. Wir setzen dabei auf Durchlässigkeit. Das heißt, man kann als Heimhilfe anfangen und es bis zur Fachhochschulausbildung bringen, wenn man möchte. Das ist wichtig für die Attraktivität eines Berufsbildes, dass ich Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten schaffe. Wir bieten dabei berufsbegleitende Ausbildungen an, oder für Menschen mit Migrationshintergrund mit sogenannten Brückenkursen bis hin zu Fachhochschullehrgängen. Wir haben in allen Regionen Ausbildungsmöglichkeiten und an den Mittelschulen eine Pflege-BMS geschaffen, bis hin zur Pflegelehre mit Berufsschule. Wir arbeiten konkret auch daran Anästhesietechnische AssistentInnen auszubilden. Klar ist auch, dass die demographische Entwicklung immer weniger junge Menschen nachbringt, deshalb brauchen wir auch einen qualifizierten Zuzug. Viele Menschen lassen sich zum Glück auch umschulen – auch ältere Arbeitnehmer.

 

Was ist Ihnen noch wichtig?

Gutschi: Es muss uns gelingen in Sachen KI und Digitalisierung schneller voranzukommen. Dazu gehört auch der Datenaustausch. Hier leben wir noch in der Steinzeit, weil man es nicht schafft die Systeme zu harmonisieren und es große Vorbehalte gibt, was den Datenschutz anbelangt. Ich bin für hohe Standards, was den Datenschutz anbelangt, in Österreich ist dieser oftmals überbordend im Gegensatz zu anderen Ländern. Die skandinavischen Länder haben hier einen anderen Zugang. Hier ist jeder selbst für seine Daten verantwortlich. Die Strafen bei Datenmissbrauch durch Dritte werden dann auch entsprechend hart geahndet.

 

Vielen Dank für das Gespräch!