Laut Statistik erlebt in Österreich jede dritte Frau in ihrem Leben körperliche oder sexuelle Gewalt – aber auch Kinder und Männer sind betroffen. Hale Dönmez, stellvertretende Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Salzburg erklärt im PULS-Interview, wann man von Gewalt spricht und wohin man sich wenden kann.
Wann spricht man von Gewalt?
Dönmez: Gewalt beginnt bei Grenzüberschreitungen mit der Absicht, jemanden emotional oder körperlich zu verletzen, zu kontrollieren oder zu unterwerfen. Sie umfasst psychische, ökonomische, körperliche, sexualisierte Gewalt und Cybergewalt.
Wer kann sich an Sie wenden?
Dönmez: Betroffene von häuslicher Gewalt, Gewalt im sozialen Nahraum und Stalking – auch anonym. In den Beratungsstellen erleben wir, dass es vielen Betroffenen nicht leichtfällt, Gewalt gleich als solche zu erkennen. Generell sollte ein Verdacht in einem geschützten Rahmen angesprochen und Betroffene ans Gewaltschutzzentrum weitergeleitet werden – idealerweise mit einem gemeinsamen Anruf. Darüberhinaus sind wir auch eine Anlaufstelle für Menschen, die Gewalt beobachten.
Wie begleiten Sie Betroffene?
Dönmez: Durch kostenlose psychosoziale und juristische Beratung erarbeiten wir zusammen Lösungen für eine gewaltfreie Beziehung.
Wie erkennen Fachkräfte im Gesundheitswesen betroffene PatientInnen?
Dönmez: Betroffene zeigen oft körperliche, psychische oder psychosomatische Beschwerden sowie emotionale Auffälligkeiten. Ein möglicher Zusammenhang mit Gewalt sollte stets bedacht werden.
Welche Hürden gibt es für Betroffene?
Dönmez: Ängste, z. B. nicht geglaubt zu werden, sowie Schamgefühle – besonders in ländlichen Regionen.
Welche rechtlichen Schutzmaßnahmen gibt es?
Dönmez: Die Polizei kann ein 14-tägiges Betretungs- und Annäherungsverbot aussprechen. Wir unterstützen dann bei einer gerichtlichen Verlängerung.
Wie verbreitet ist häusliche Gewalt?
Dönmez: Jede dritte Frau in Österreich erlebt ab 15 Jahren körperliche und/oder sexuelle Gewalt. 16,4 % sind von Gewalt in Intimbeziehungen betroffen – unabhängig von Alter, Einkommen, Bildung oder Religion.
Welche Botschaft haben Sie für Fachkräfte im Gesundheitswesen?
Dönmez: Das Gesundheitswesen hat als oftmals erste Anlaufstelle enormes Präventionspotenzial, wenn es im Umgang mit Betroffenen sensibilisiert ist.