Vieles, was uns im Leben widerfährt, ist Ausdruck dessen, was wir selbst mit unserem Denken erschaffen. Das Unbewusste ist eine lebenslange Ansammlung von Erfahrungswerten. Angst, Libido und das Überleben sind die bedeutendsten Themen unseres Unterbewusstseins.
Das Unterbewusste macht den Großteil unserer Informationsverarbeitung aus. Sobald wir zu Abend ins Bett gehen und einschlafen sind wir unbewusst und unser Gehirn arbeitet unbewusst weiter. Wacht man mitten in der Nacht auf, liegt es meist nicht daran, dass der Wecker klingelt oder uns jemand wachrüttelt, sondern dass wir von Dingen träumen die Angst besetzt sind, uns erregen und potenziell wecken können. Es sind Stress- und Angsthormone wie Cortisol und Adrenalin die in uns aufschießen und den Körper erwecken. „Ein Kind wird zum Beispiel auch im Unbewussten immer unterscheiden was relevant oder was nicht relevant ist, was ist lebensbedrohlich und was nicht, das funktioniert selbst im Tief- oder Traumschlaf noch. Das Gehirn reagiert immer stärker auf bedeutsame Reize. Wir haben in Studien gezeigt, wenn eine bekannte Stimme oder unbekannte Stimme meinen Namen spricht, reagieren Menschen stärker auf die unbekannte Stimme, als ob sie merken, dass es bedrohlich sein muss wenn jemand Unbekannter in der Nacht zu mir spricht. Ähnlich verhält es sich mit dem Eigennamen. Üblicherweise reagieren wir am stärksten auf unseren regelmäßig ausgesprochenen Rufnamen, selbst bei vollem Unbewusstsein im Tiefschlaf. Speziell Mütter werden hingegen wieder leichter auf das Schreien oder auch nur Wimmern von ihrem Kleinkind wach, wogegen ein lauter Lärm vom nahenden Zug keine Weckreaktion auslöst“, erklärt Psychotherapeut und Schlafforscher Manuel Schabus von der Universität Salzburg. Das heißt, wenn wir im Schlaf angesprochen werden, registrieren wir unbewusst von wem die Stimme kommt. Unser Gehirn klassifiziert grob, ob es sich um einen relevanten Reiz handelt, den man weiterverarbeiten sollte oder nicht. Jene Stimmen die unbekannt sind, führen zu einer stärkeren Gehirnreaktion, so etwas wie eine Alarmreaktion. Das heißt, auf Informationen, die im Langzeitgedächtnis nicht gespeichert sind, müssen wir reagieren. „Das ist natürlich spannend, dass unser Gehirn aus dem komplett unbewussten Tief- oder Traumschlaf relativ komplexe Reize unterscheiden kann – das ist die eine Seite. Die andere ist, wenn sie heute im Bewusstsein Informationen oder Eindrücke verarbeiten, werden diese im Schlaf noch einmal durchgespielt. Wir stellen fest, dass sich das Gedächtnis über die Nacht festigt beziehungsweise sich besser im Langzeitgedächtnis integriert, weil Informationen noch einmal simuliert und durchgespielt werden. Wenn man davon träumt, denken manche Forscher zudem, dass das Emotionale seinen Schrecken verliert, weil es praktisch vom Traum nochmal integriert und durchgekaut wird. Darum auch der Spruch: „Schlaf lieber eine Nacht darüber“, bevor man reagiert, weil die Emotion ebenfalls in der Nacht durchgespielt wird. Informationen werden gespeichert und der emotionale Teil wird losgelöst. Sobald ich die emotionale Information gespeichert habe, ist der Zweck des Traums erfüllt und das für das Individuum Relevante gespeichert. Nun kann ich ähnliche Inhalte neu bewerten und am nächsten Tag weniger darauf reagieren“, so Schabus.
Sexualität, Konflikte, Überleben
Die Wissenschaft geht davon aus, dass die emotionalen Inhalte diejenigen sind, die unser Unterbewusstsein am ehesten speichert und in der Nacht durchspielt. Aber genauso, dass wir im Schlaf Dinge simulieren, die für uns bedeutsam sind zum Überleben. Sexualität, Konflikte, Angst und das Überleben sind die stärksten Emotionen, die uns im Schlaf, also im Unterbewusstsein, begleiten. Man weiß von Leuten, die man im Traum aufweckt, dass diese Inhalte sehr häufig sind. Schabus: „Ich hatte einmal eine Patientin, die von ihrem Mann geschlagen wurde, die total unter Stress stand, dass zu Hause alles für ihren Mann perfekt ist. Sie hat mir von einem Traum erzählt wo sie durch einen Saal geht und links stehen überall Männer und legen ihr Taranteln auf den Kopf. Wenn sie sich falsch bewegt, beißen diese zu und sie stirbt. Das heißt, wenn sie etwas Falsches tut oder sagt, dann rechnet sie mit einer Konsequenz. Hier wird im Unterbewusstsein ein Gefühl der Angst, der Beklemmung repräsentiert. Ich darf nichts tun, ich bin komplett machtlos, und wenn ich etwas Falsches mache, passiert etwas Schlimmes. Das ist es, was das Gehirn dieser Frau im Unbewussten zu symbolisieren versucht und ein griffiges Bild, wie man spüren kann, wie es dieser Frau geht.“Sexualität ist eine der treibenden Kräfte in unserem Unterbewusstsein. Jene Wertesysteme und Beziehungssysteme die wir von den Eltern erfahren haben, nehmen wir in unsere eigenen Liebesbeziehungen mit. Wie haben Mutter und Vater miteinander interagiert, wie offen wurde mit Sexualität umgegangen, wie freizügig sind sie, wie liberal oder dominant sind die Eltern? „Davon lernen wir sehr viel und übernehmen unbewusst viele Muster ohne etwas explizit, daher bewußt zu wissen. Man muß schon viel Zeit darauf verwenden, um diese Themen gut zu reflektieren und dann herausfinden zu können, ob man derartige unbewusste Muster wiederspielt und inszeniert, obwohl man diese vielleicht bewusst gerade verhindern möchte, sagt Schlafforscher Schabus.
Neue Erfahrungen ändern uns
Man kann das Unterbewusstsein mit wiederholt neuen Erfahrungen ändern, wo wir im Gegenteil handeln. Manuel Schabus: „Das Grundprinzip jedes psychotherapeutischen Gesprächs ist in meinem Verständnis, dass man dem Klienten erlaubt, echte neue Erfahrungen mit einem zu machen. Und wenn ich eine Erfahrung mit einer Person mache, zu der ich eine enge Bindung habe, dann kann man unbewusst abgespeicherte Erfahrungen auch umschreiben. Das gilt natürlich auch gerade für das professionelle psychotherapeutische Setting. Dazu braucht es eben viele neue Erfahrungen, die Zeit brauchen, und spürbar intensiv erlebt werden“. Trotz der Evolution des Menschen tragen wir noch evolutionäres Erbgut aus der Steinzeit in uns. Das wohl bekannteste davon ist unser angeborenes, unterbewusstes Reflexverhalten in Gefahrensituationen. In diesen reagiert unser Limbisches System unbewusst und unmittelbar mit dem archaischen Notfallprogramm Angriff, Flucht oder Starre (engl., fight-or-flight response). Lediglich eine neue Konditionierung und starke Emotionen können diese automatischen Reaktionen nachhaltig abändern, sind aber trotzdem immer zu einem Gutteil fest in uns verankert. Mentalcoaching schafft daher eventuell einen neuen Zugriff auf ungenutztes Potenzial, fokussiert unterbewusste Programme auf unsere Ziele und bringt Wollen, Können, Glaubenssätze und unseren inneren Dialog in Einklang mit den zu erreichenden Zielen.
Univ.-Prof. Mag. Dr. Manuel Schabus, ist Schlafforscher und Psychotherapeut am Zentrum für kognitive Neurowissenschaften der Universität Salzburg. Als erster Psychologe wurde er mit dem renommierten START-Preis des österreichischen Wissenschaftsfonds ausgezeichnet. Zu seiner Expertise und den erklärten Zielen gehören neben der Gehirnforschung auch die Behandlung der Schlaflosigkeit (sog. Insomnie) und die Förderung des gesunden Schlafes in einer zunehmend rastlosen Gesellschaft.