Kinder und Covid-19

von Dr. Florian Götzinger

Die Rolle der Kinder in der Pandemie scheidet die Geister. Über Krankheitsverläufe, Folgen und Vorkehrungen. Wir befinden uns in Europa nun bereits seit 14 Monaten in einer in dieser Form noch nie dagewesenen Situation: einer Pandemie enormen Ausmaßes im digitalen Zeitalter. Beruhigend für Eltern und KinderärztInnen ist, dass Kinder zuallermeist kaum direkt von COVID-19 betroffen sind, weil sie meist nur wenige Symptome bieten, falls sie überhaupt daran erkranken. Dennoch gibt es Fragen und auch Mythen die viele besorgte Eltern beschäftigen, weswegen ich im Folgenden einen Teil der wissenschaftlichen Literatur grob zusammenfassen und als Facharzt im Wiener Zentrum für COVID-19 im Kindesalter auch meine persönliche Erfahrung mit dieser Erkrankung einfließen lassen möchte.

Glaubenskrieg und Wahrheitsfindung

Was Kinder und COVID-19 betrifft, so erscheint es manchmal wie ein Glaubenskrieg der unterschiedlichen Positionen. Während manche den Standpunkt vertreten, Kinder erkranken niemals schwer an diesem Virus, warnen andere vor sehr schweren Verläufen und Folgeschäden. Vor allem aber die Rolle der Kinder in der Pandemie scheidet die Geister. Manche sehen im regulären Schul- und Kindergartenbetrieb große Gefahr für die Allgemeinheit, wohingegen andere Schulen und Kindergärten überhaupt keine Rolle in der Pandemie zuschreiben. Die Wahrheit, falls man in der jetzigen Situation des kontinuierlichen Lernens über diese Erkrankung, überhaupt von einer solchen sprechen kann, liegt sehr wahrscheinlich in der Mitte.

Achtung bei Vorerkrankungen                                                                                                                 

Kinder erkranken äußerst selten schwer an COVID-19. Als einziges COVID-19 Zentrum in Wien mit riesigem Einzugsgebiet, mussten wir bisher nur ein einziges Kind mit COVID-19 auf eine Intensivstation verlegen. Von insgesamt in Österreich knapp unter 38.000 positiv getesteten Kindern unter 15 Jahre wurden nur in etwa 1,4% (ca. 530) der Kinder stationär behandelt. Eine nicht unerhebliche Anzahl davon wurde nur zufällig auf SARS-CoV-2 getestet und befanden sich aus anderen Gründen im Spital und ein anderer nicht allzu kleiner Teil wurde vorsichtshalber oder aus sozialen Gründen stationär aufgenommen. Natürlich möchte ich eine Erkrankung an COVID-19 bei Kindern nicht bagatellisieren, aber Kinder erkranken äußerst selten schwer im Rahmen einer SARS-CoV-2 Infektion. Sollte ein Kind jedoch einen vorbekannten, schweren, strukturellen Lungenschaden haben, an einem aktiv behandlungspflichtigen schweren Immundefekt leiden, eine Krebserkrankung oder einen sehr schweren Herzfehler haben, sollten diese Kinder mit besonderer Vorsicht behandelt werden, da sie trotz des Alters eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, schwer an COVID-19 zu erkranken. 

Hyperinflammationssyndrom MIS-c 

Nach über einem Jahr Pandemie und 38.000 positiven Fällen im Kindesalter, ist erst ein Kind in Österreich an COVID-19 verstorben. Dieses Kind litt an einer sehr fortgeschrittenen, terminalen Krebserkrankung. Das macht den Todesfall dieses Kindes natürlich nicht weniger tragisch, aber es rückt doch die Relationen im Kindesalter ins richtige Licht. Folgeerscheinungen nach COVID-19 wie bei Erwachsenen sehen wir bei Kindern in der Regel nicht. In ganz Österreich gibt es nur eine Handvoll Kinder, die sich derzeit wegen Long-COVID in Abklärung befinden. Eine Sache, die ebenfalls viele Eltern ängstigt, ist das sehr selten nach einer SARS-CoV-2-Infektion auftretende Hyperinflammationssyndrom MIS-c (multisystem inflammatory syndrome in children), vermutlich eine überschießende Reaktion des Immunsystems circa 2-8 Wochen nach der eigentlichen Infektion mit dem Krankheitserreger. Davon betroffene Kinder brauchen oftmals intensivmedizinische Betreuung, aber fast alle überleben ohne langfristige körperliche Folgeschäden. Falls ein Kind ohne sonstige Erklärung sehr schwer krank ist und seit mehr als 3 Tagen fiebert, sollte ein Kinderfacharzt oder eine Kinderambulanz aufgesucht werden. Dies gilt allerdings auch in Nicht-COVID-Zeiten.

Wie ansteckend sind Kinder?

Das Thema, wie ansteckend Kinder sind und ob offene Schulen ein Driver für die Pandemie sind, polarisiert besonders stark. Natürlich ist ein Kind mit symptomatischer SARS-CoV-19 Infektion auch prinzipiell ansteckend. Bei Kindern unter 10 Jahren dürfte das jedoch geringer ausfallen als bei allen anderen Altersgruppen. Erklärungen könnten unter anderem der symptomärmere Verlauf, die körperliche Konstitution von Kindern oder Eigenheiten des kindlichen Immunsystems sein. Fakt ist jedoch, dass einem Anstieg an SARS-CoV-2 positiven Fällen in Schulen immer ein Anstieg an Fällen in der Gesamtbevölkerung vorausgeht und nicht umgekehrt. Außerdem zeigen nationale wie internationale Daten, dass es unter Einhaltung von 1,5 bis 2m Abstand, regelmäßigem Lüften, Händehygiene und gegebenenfalls Masken kaum zu Clusterbildungen an Schulen kommt. 

Psychosoziale Folgen 

Gesichert ist ebenfalls, dass Kinder von massiven psychosozialen Folgen durch Schul- und Kindergartenschließungen betroffen sind. Das gilt vor allem für Kinder aus sozial schwächeren Familien. Wir haben mit Kindern also eine Gruppe von äußerst wichtigen Mitgliedern unserer Gesellschaft die zwar nicht unter COVID-19 als Erkrankung leiden, sehr wohl aber erheblich unter den Folgen eines fehlenden Präsenzunterrichts. Daher sollte auch bei steigenden Infektionszahlen in der Gesamtbevölkerung gelten, Schulen und Kindergärten nur als ultima Ratio zuzusperren und als erstes wieder aufzusperren.       

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