Weltpremiere einer neuen Behandlungstechnik

von Dr. Helmut G. Weiss,  Dr. Gottfried Schaffler

 

Erstmals weltweit wurde im Oktober 2021 an der Abteilung für Chirurgie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg eine neue Technik der Single-Port TOETVA durchgeführt.

 

Schilddrüse und Nebenschilddrüsen sind kleine hormonproduzierende Organe am Hals, welche durch den lebensnotwendigen Einfluss auf Stoffwechsel, Energiehaushalt und Stimmungslage auch unsere Lebensqualität entscheidend mitbestimmen. Die Synthese und Ausschüttung der Hormone (Trijodthyronin, L-Thyroxin, Calcitonin, Parathormon) unterliegt ausgeklügelten Regelmechanismen, die allerdings durch entzündliche Veränderungen, tumoröse Entartung oder Medikamente gestört sein können. Viele dieser Störungen bleiben im Frühstadium unbemerkt. Durch die einfache Überprüfung von klinischen und laborchemischen Parameter kann in Vorsorgeuntersuchungen bereits sehr früh der Verdacht auf eine Erkrankung von Schilddrüse oder Nebenschilddrüsen erhoben werden.Im weiteren Schritt ist eine wegweisende Abklärung durch Experten auf dem Gebiet der Inneren Medizin-Endokrinologie, Nuklearmedizin, Radiologie und Chirurgie sowie durch spezielle Labor­analysen angezeigt. Am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg wurde deshalb eine interdisziplinäre Sprechstunde unter der Nummer 0662-8088-33212 etabliert, um diese kompakte und umfassende Abklärung und Behandlung für PatientInnen mit Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenerkrankungen zu ermöglichen.Mit neuen narbenfreien Eingriffen werden hierorts bemerkenswerte Impulse der Behandlungsmöglichkeiten bei knotigen Veränderungen der Schilddrüse und Nebenschilddrüse gesetzt:

 

Lokal ablative Verfahren

Als eines der lokal ablativen Vefahren steht neben der Mikrowellenablation, Echopulstherapie (HIFU) und Lasertherapie die Radio­frequenzablation (RFA) zur Verfügung. Für die Indikationsstellung dieser minimal-invasiven narbenfreien Behandlung spielt vor allem die Größe und Lokalisation der Knoten eine Rolle. Bei der Abwägung zwischen einer RFA und operativen Verfahren sind neben den allgemeinen Risiken jeder Operation auch die Wünsche und Bedürfnisse der PatientInnen zu berücksichtigen. Bei hypofunktionellen Knoten kommt der Dignitätsdiagnostik eine besondere Rolle zu. Erst nach der zweimaligen Feinnadelbiopsiezum Ausschluss eines bösartigen Knotens sollten lokal ablative Verfahren (z.B. RFA) angeboten werden. Die lokale Ablation führt in typischer Weise zu einer deutlichen Schrumpfung des verödeten dann stoffwechselinaktiven Knotens. Für die Indikationsstellung sind folgende Informationen wichtig: Klinische Anamnese, Medikamentenanamnese, vorausgegangene Kontrastmittelapplikationen, Antikoagulantien, Geplante Eingriffe (z. B. Koronarangiografie), Kontraindikationen gegen eine exogene Suppression mit Schilddrüsenhormonen (z. B. Vorhofflimmern), klinische und radiologische Untersuchung

 

Narbenfreie Chirurgie

Jede Vergrößerung der Schilddrüse mit Einengung anderer Organe (Druckgefühl im Hals, Schluck- oder Atembeschwerden), szintigraphisch kalte Knoten mit Malignitätsindikatoren, sowie Karzinome benötigen eine operative Sanierung. Bei Strumen mit Hyperthyreose, autonomen Knoten und beim Morbus Basedow ist die Chirurgie eine der möglichen Behandlungsalternativen. Vergrößerungen der Nebenschilddrüse werden obligat chirurgisch behandelt. Die operative Schnittführung am Hals hat sich seit 1876 (Kocher’scher Kragenschnitt) bis heute nur unwesentlich verbessert. Die Nachteile dieses Zugangs sind eine störende Narbenbildung mit Revisionsbedarf in bis zu 10%. Die Entwicklung der minimal invasiven Chirurgie hat neben dem geringeren Trauma auch die Nutzung der optischen Vergrößerung am Bildschirm und die Möglichkeit von Spezialfärbungen zum Ziel. Verschiedene Versuche in minimal invasiver Technik die Schilddrüse oder Nebenschilddrüse unter Vermeidung einer Narbe am Hals chirurgisch zu erreichen sind aufwendiger und risikoreicher als die offene Standardoperation und haben sich deshalb nicht durchgesetzt. Als einzige narbenfreie minimal invasive Methode gilt derzeit der Zugang über die Mundhöhle. Seit etwa 10 Jahren wird die Operationen über die Innenseite der Unterlippe als Trans-Oral Endoscopic Thyroidectomy Vestibular Approach (TOETVA) vor allem in Asien erfolgreich durchgeführt. Durch den neuen chirurgischen Blickwinkel (Sicht von oben) und spezielle Färbetechniken kann dabei eine vorteilhafte Darstellung des Nervus laryngeus recurrens und der Nebenschilddrüsen erreicht werden. Die verbesserte, narbenfreie Kosmetik ist ein willkommener Nebeneffekt. Eingriffsspezifische Risiken sind zu beachten: Der Zugang von transoral erschwert bei Karzinomen eine eventuell notwendige Präparation submandibulär. Weiters kann die Mehr-Trokar Technik unter Verwendung von drei starren Hülsen zu einem vorübergehenden Taubheitsgefühl am Kinn und zu möglichen Irritation des Nervus mentalis (15-100%) am Mundwinkel führen. 

Premiere in Salzburg

Um diese unerwünschten Risiken zu umgehen wurde weltweit erstmals im Oktober 2021 an der Abteilung für Chirurgie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg eine neue Technik der Single-Port TOETVA durchgeführt. Diese innovative Technik reduziert den Druck am Kinn einerseits, vermeidet auch andererseits die beiden für den Nervus mentalis kritischen Trokare an beiden Mundwinkel, da der Zugang lediglich über eine weiche Folie durch einen einzigen, mittig angelegten Schnitt von knapp 2cm an der Unterlippenschleimhaut erfolgt. 

 

Ansicht beim Operieren

Alle Eingriffe wurden komplikationsfrei durchgeführt und ausgezeichnet toleriert. Die heiklen Strukturen (Nervus laryngeus, Nebenschilddrüsen) wurden dargestellt und jeweils geschont. Bei größeren Knoten (über 3,5cm Durchmesser) ist ein zusätzlicher unauffälliger Bergeschnitt am Haaransatz hinter dem Ohr nötig. Neben den intraoperativen Vorteilen profitierten die PatientInnen von einem narbenfreien Anblick. Etwa ein Viertel aller zu operierenden Patienten können von diesem neuen narbenfreien Single Port TOETVA-Eingriff profitieren.

 

Abklärung

Sämtliche pharmakologische (hormonstimulierende oder hormonblockierende Medikamente), interventionelle und operative Therapieformen (klassisch offen und narbenfrei) werden direkt am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder nach Beschluss im interdisziplinären Board, abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse der PatientInnen, angeboten. Für pathohistologische Untersuchungen oder strahlentherapeutische Behandlungen besteht eine erfolgreiche Kooperation mit den Salzburger Landeskliniken.

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