Derzeit müssen rund 400.000 Personen in Österreich mit einer Krebsdiagnose zurechtkommen – das sind ca. 4 Prozent der Gesamtbevölkerung. Etwa 45.000 Neuerkrankte kommen jährlich dazu und die Zahlen steigen – bis 2030 um etwa 15 Prozent auf dann 460.000 Menschen, die wegen Krebs in Behandlung sein werden. Aber es steigt auch die Zahl jener, die den Krebs besiegen oder zumindest viele Jahre damit gut leben können. Krebs verliert allmählich immer mehr von seinem Schrecken.
Eine Krebsdiagnose ist zwar immer noch ein Schock für Betroffene, aber ein automatisches Todesurteil ist Krebs längst nicht mehr. Auch wenn Krebs nach den Herz-Kreislauferkrankungen immer noch die zweithäufigste Todesursache ist und die Zahl der neu an Krebs Erkrankten weiter steigt, verlassen bereits zwei Drittel der Patientinnen und Patienten nach einer Krebsbehandlung weitgehend geheilt die Klinik. In einem ähnlichen Ausmaß wie die Neuerkrankungen steigen nämlich von Jahr zu Jahr auch die Heilungsraten bei den meisten Krebsarten.
Die Gründe, warum sich bei immer mehr Menschen Krebs entwickelt, sind vielfältig. Die Lebenserwartung steigt und damit auch die Gefahr an Krebs zu erkranken. Je älter man wird, desto größer die statistische Wahrscheinlichkeit, dass sich irgendwo im Körper ein Tumor einnistet. Dies umso eher, je weniger gesund man sein Leben verbringt. Man kennt die Ursachen, die Krebs auslösen können, mittlerweile ziemlich gut: Rauchen, Umweltgifte, Alkohol, zu viel Zucker, ungesunde Lebensmittel, Übergewicht, Diabetes, wenig Bewegung, wenig Sozialkontakte und eine insgesamt pessimistisch-negative Einstellung etc. können dafür ausschlaggebend sein.
Die Gründe, warum Betroffene hoffen dürfen, aus der Krebserkrankung gut wieder herauszukommen, sind ebenso vielfältig. Dazu beigetragen haben eine verbesserte Aufklärung, ein besseres Vorsorgeverhalten, bessere Diagnosemöglichkeiten, die eine frühzeitigere Behandlung ermöglichen, sowie neue, innovative Operations- und Bestrahlungstechniken und Medikamente mit neuen Wirkprinzipien. Eine wesentliche Grundlage für diese Entwicklung ist die konsequentere Verwertung von Forschungsergebnissen, speziell von Erkenntnissen der Grundlagenforschung zu den molekularen Hintergründen von Krebserkrankungen.
Ein entscheidender Punkt ist dabei auch, dass die Krebsmedizin sich insgesamt gewandelt hat. Onkologen sind heute keine Einzelkämpfer mehr. Experten anderer Disziplinen arbeiten mit ihnen – es geht immer mehr in Richtung interdisziplinärer Diskussionen über den speziellen Krebs jedes einzelnen Patienten. Teambasierte Behandlungskonzepte werden entwickelt, die sich auf allgemein verfügbare Leitlinien stützen können, die laufend und in kurzer Frist optimiert werden immer wenn es neue Erkenntnisse und klinische Erfahrungen gibt.
Wie Krebs langsam seinen Schrecken verliert
Einst besonders gefürchtete Krebsarten wie das maligne Melanom – der schwarze Hautkrebs – aber auch etliche Formen des Krebsgeschehens in der Lunge gelten mittlerweile als heilbar wenn sie rechtzeitig entdeckt werden. Beim Aufspüren von Krebszellen im Körper, bei der Therapie und vor allem auch in der Forschung hilft den Ärzten immer effizienter die Künstliche Intelligenz (KI). Selbst wenn bestimmte Krebsarten bereits metastasieren, also Tochtergeschwülste an anderen Stellen im Körper bilden, ist noch nicht alles verloren. Das liegt an neuen zielgerichteten Therapeutika, an supergenau eingrenz- und dosierbaren Bestrahlungen etwa mit dem neuen Cyberknife-Gerät, das neuerdings auch in Salzburg verfügbar ist, aber vor allem auch an der neuen Immuntherapie. Dabei werden – vereinfacht ausgedrückt – die Zellen des eigenen Immunsystems des Patienten in die Lage versetzt, Krebszellen im ganzen Körper aufzuspüren und zu bekämpfen.
Weil man Krebs molekularimmer besser versteht
Genau genommen handelt es sich bei Krebs um eine Vielzahl von Erkrankungen, die eine unkontrollierte Zellvermehrung und die invasive Ausbreitung im Körper gemeinsam haben. Krebs kann entstehen, wenn sich Zellen des eigenen Körpers verändern und nicht mehr ihre eigentlichen Aufgaben übernehmen. Warum und wann passiert das? Gründe sind meist Schäden am Erbgut dieser Zellen oder Fehler beim Ablesen der Erbinformation während der unablässig ablaufenden Zellteilungen überall in unserem Körper. Je älter man wird, desto öfter können diese Lesefehler auftreten und manchmal entwickelt sich daraus ein Tumor. Das ist einer der Gründe, warum ältere Menschen öfter an Krebs erkranken als jüngere. Ein anderer kann die ungesunde Lebensweise gewesen sein, die von älteren Personen vielleicht über Jahre und Jahrzehnte praktiziert worden ist. Junge Leute hatten noch nicht so viel Zeit für das ungesunde Leben. Bei ihnen müssen es wohl hauptsächlich andere Gründe sein, warum auch in den jüngeren Altersgruppen die Krebserkrankungen steigen.
Was kann die Immuntherapie?
Krebs mit immunologischen Methoden zu behandeln, um körpereigene Abwehrreaktionen therapeutisch nutzbar zu machen, ist seit langem das Ziel experimenteller und klinischer Studien – bis vor einigen Jahren allerdings mit wenig Erfolg. Neuerdings aber haben Forschungsergebnisse eine solide Basis für immunologische Therapieansätze geschaffen, die bei bestimmten Krebserkrankungen mit Erfolg eingesetzt werden.
Das Immunsystem hat die Aufgabe den Organismus gegen eindringende Keime, Fremdkörper und entartete Zellen (wie z.B. Krebszellen) und damit vor Krankheit zu schützen. Dieses System vermittelt Schutz und Ordnung und wird daher auch als „Polizei“ des Körpers bezeichnet.
An Tumorzellen müssen besondere Strukturen vorhanden sein, um von den Abwehrzellen als „fremd“ erkannt zu werden. Die Folge ist dann eine Immunreaktion, die zur Eliminierung von Krebszellen durch „Killerzellen" führt. Häufig fehlt dem Immunsystem jedoch das Signal „fremd“ oder „krank“. Tumorzellen nutzen überdies vielfältige Mechanismen um dem Angriff des Immunsystems zu entkommen. Krebszellen sind Meister der Tarnung sodass sie von den Killerzellen des körpereigenen Abwehrsystems nicht erkannt werden. Hier setzt die Medizin an: die Krebszelle wird bis ins kleinste Detail analysiert um herauszufinden, welche Information den Killerzellen vermittelt werden muss um die Krebszellen als solche erkenn- und bekämpfbar zu machen – sehr vereinfacht ausgedrückt. Man hat auch herausgefunden, dass sogenannte Checkpoint-Moleküle die Immunreaktion gegen Tumorzellen hemmen können. Tumorzellen benützen diese Bremse um den Abwehrreaktionen zu entkommen. Hemmstoffe (Inhibitoren) für diese Steuerungssignale sind nun erfolgreich als „Neue Immuntherapie“ unter dem Schlagwort „Immunonkologie“ im klinischen Einsatz.
An Nierenzellkarzinom und Schwarzem Hautkrebs wurden Immuntherapien als erstes eingesetzt. Mittlerweile werden auch das Lungen- und Harnblasenkarzinom sowie verschiedene Kopf-Hals-Tumore behandelt. Sind bestimmte biologische Voraussetzungen gegeben, können beliebige Tumore mit ähnlichen Eigenschaften mit Immuntherapien bekämpft werden. Immuntherapien begleiten mittlerweile die gesamte Krebsmedizin – bei Lymphomen, Leukämien, aber auch bei soliden Tumoren.
Monoklonale Antikörper
Monoklonale Antikörper sind lösliche Abwehrstoffe, die speziell gegen (Oberflächen)-Strukturen von Krebs- oder auch anderen Zellen im Labor erzeugt wurden. Neueste Produktionsmethoden machen es möglich, dass diese Abwehrstoffe nun als Medikamente für die Therapie von Krebs aber auch von entzündlichen Erkrankungen zur Verfügung stehen. Antikörper reagieren mit spezifischen Strukturen (Antigenen) an Krebszellen und wirken auf diese schädigend bzw. blockieren ihre Wachstumssignale. Gleichzeitig ermöglichen bzw. erleichtern sie den Abwehrzellen (Lymphozyten) eine Erkennungsreaktion mit Krebszellen, wodurch eine Zerstörung eingeleitet wird.
Diese Antikörper können auch gegen die Checkpoint-Moleküle gerichtet sein und wirken dann als deren Inhibitoren. Dadurch wird die Bremse gelöst, die Killerzellen blockiert und die weißen Blutzellen können durch zytotoxische Reaktionen Tumorzellen bekämpfen.Antikörper-Präparate werden derzeit in bestimmten klinischen Situationen zur Therapie von Brustkrebs und von besonderen Formen des Lymphdrüsenkrebses sehr erfolgreich eingesetzt. Die Therapie mit den Checkpoint Inhibitoren kann als Durchbruch und Meilenstein in der Immuntherapie gewertet werden. Langanhaltende Tumorrückbildungen sind beim schwarzen Hautkrebs (Melanom) und auch bei bestimmtem Formen des Lungenkrebses erreicht worden. Bei anderen Krebsformen werden diese Präparate nun auf ihre Wirksamkeit untersucht.
Weitere Produkte sind derzeit in klinischer Entwicklung. Nebenwirkungen können allerdings auch bei diesen Therapien auftreten – meist in Form von Autoimmunerkrankungen. Diese sind mitunter so heftig, dass derartige Therapien abgebrochen werden müssen.
Impfung gegen Krebs nach dem Covid-mRNA-Prinzip?
Eine weitere Krebstherapie ist die mit mRNA-Impfstoffen - vielen seit Corona ein Begriff. mRNA-Impfstoffe sollen im Körper die Zellen umprogrammieren und bestimmte Eiweißmoleküle präsentieren, die gezielte Immunreaktionen zustande bringen. Es hat sich bereits gezeigt, dass was dran ist an dieser Methode – nicht nur bei Covid, auch bei Krebs. Momentan laufen schon Studien, die bereits Erfolge zeigen, etwa bei Magen-Darm-Tumoren und anderen Krebserkrankungen. In den nächsten Jahren sollen die ersten Zulassungen kommen, etwa bei Darmkrebs in frühen Stadien, wo ein hohes Risiko besteht, dass er später metastasiert. Der Impfstoff soll die Rezidiv-Quote minimieren.
– ag –