2022 wird für die Urologie einen Meilenstein markieren. Es ist das Jahr in dem die Prostatavorsorge erstmals vom höchsten Gremium in der EU offiziell empfohlen wird.
Die Vorsorge war oft umstritten, da nicht jeder Mann, bei dem ein Prostatakrebs gefunden wird, auch daran richtig erkrankt. Auf der anderen Seite stand vor Allem das Argument, dass man, wenn der Krebs erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird, diesen Männern die Chance auf eine schonende Behandlung und mögliche Heilung nimmt. Was gefehlt hat war einerseits eine gezielte Diagnostik und andererseits Behandlungsmethoden, die neben der Krebskontrolle auch einen guten Lebensqualitätserhalt ermöglichen. Der technische Fortschritt hat mit vielen Innovationen in den letzten 10 Jahren dazu geführt, dass eine entsprechende maßgeschneiderte Diagnostik und Therapie für die breite Bevölkerung zur Verfügung stehen.
Laborparameter
Der PSA Wert wurde oft verteufelt, da er nicht nur vom Tumor produziert wird, sondern auch von der gesunden Prostata. Das führt dazu, dass es einen relativ breiten Grau-Bereich gibt. Heute wissen wir aber, dass insbesondere, wenn man die Veränderung über die Zeit betrachtet, der PSA Wert in der Entscheidungsfindung sehr hilfreich sein kann.
Um diesen Graubereich besser zu verstehen wurden auch verschiedene Blut und Harn Marker entwickelt, die besonders in kniffligen Fällen mehr Klarheit für eine Entscheidung bringen können. In Summe fußen heutzutage aber Entscheidungen eine Diagnostik oder Therapie durchzuführen immer auf der Basis verschiedener Modalitäten, wie der MRI Diagnostik, der Digital Rektalen Untersuchung und den erwähnten Laborparametern.
Bildgebende Diagnostik-MRI / Gezielte Biopsie
Die Etablierung der sogenannten multiparametrischen MRI Untersuchung der Prostata hat in den letzten 10 Jahren zu einer deutlichen Verbesserung der Qualität der Diagnostik geführt. Einerseits gibt es ein transparentes System für die Beurteilung suspekter Stellen im MRI analog zum Brustkrebs bei der Frau, wodurch die Entscheidung weitere invasive diagnostische Schritte wie eine Biopsie einzuleiten, vereinfacht wird.
Andererseits kann auf Basis des MRI Befundes die Prostata gezielt untersucht werden. Dabei wird das MRI Bild in dem die suspekten Areale markiert sind in Form eines 3 D Modells in Echtzeit mit dem Ultraschallbild fusioniert. Auf Basis der Bilder lässt auch die Strategie für eine Operation oder Strahlentherapie maßgeschneidert planen.
PSMA-PET CT
Bei dieser Untersuchung wird ein sogenannter Tracer verabreicht der spezifisch an ein Oberflächenantigen bindet, dass normalerweise nur bei Prostatakarzinomen vorkommt. Das ermöglicht mit einer Untersuchung festzustellen, ob der Tumor schon gestreut oder eine Therapie auch entsprechend angeschlagen hat
Roboter- assistierte Prostataentfernung
Die Einführung des DaVinci Systems hat in den letzten 10 Jahren zu einer deutlichen Zunahme bei der Qualität der minimal invasiven Operationsmethoden der Prostata geführt. Er ermöglicht auch in schwierig zugänglichen Bereichen wie dem kleinen Becken minimal invasiv mit 10 – 40-facher Vergrößerung zu operieren. Die Instrumente haben 7 Freiheitsgrade und sind damit ähnlich beweglich wie die eigenen Hände. Der Chirurg sitzt an einer Konsole und steuert den Roboter während er vollkommen fokussiert in ein 3 D Bild hineinblickt und damit das Gefühl hat direkt an der Struktur zu sein (Immersion).
Das ermöglicht insbesondere bei der Prostata die bewusste Schonung feinster Strukturen, wie den Potenznerven, die an der Prostata entlanglaufen oder den beiden Schließmuskel Systemen der Blase und Harnröhre. Darüber hinaus kann das System auch als Plattform für Augmentierte Realität genutzt werden. So können Fluoreszenzbildgebung in Echtzeit Lymphbahnen oder feinste Blutgefäße sichtbar machen oder wichtige Bildaten (MRI, CT, intraoperativer Ultraschall) live ins OP Bild eingespielt werden.
Die feinsten Bewegungen, die vom Roboter zitterfrei durchgeführt werden, ermöglichen auch das präzise Nähen und Rekonstruieren feinster Strukturen.
Strahlentherapie
Auch die Strahlentherapie hat von Innovationen deutlich profitiert. So kann heute durch das minimal invasive Einbringen eines Gelpolsters der Enddarm deutlich besser geschont werden. Ebenso kann durch Livetracking des Organs währende der Bestrahlung das Strahlenfeld selbst bei kleinsten Lageveränderungen angepasst werden und so das umgebende Gewebe auch deutlich geschont werden. Das führt in ausgesuchten Fällen auch dazu, dass heute nicht mehr so viele Sitzungen notwendig sind wie früher.
Die moderne bildgebende Diagnostik wie das PSMA PET CT führt darüber hinaus in fortgeschrittenen Fällen dazu, dass Bestrahlungen gezielt auf einzelne Herde gelenkt werden können.
Aktive Überwachung / Fokale Therapie
Mit der modernen Diagnostik und dem damit deutlich klareren Bild über die Erkrankung eines Patienten nimmt auch der Stellenwert der Aktiven Überwachung oder der fokalen Therapie zu. Hier spülen viele Faktoren, wie Tumorlast, Tumoraggressivität, Alter und Gesundheitszustand des Patienten, sowie der Wille engmaschigen Kontrollen zu folgen eine Rolle.
Viele Verfahren sind hier allerdings noch in Erprobung und erfordern eine eingehende Beratung durch einen Facharzt für Urologie.
Medikamentöse Therapie
Bei fortgeschrittenen Stadien gibt es Jahr für Jahr neue Behandlungsoptionen. Wir verstehen die Krankheit nach und nach besser und es ist damit in vielen Fällen möglich auch bei einem fortgeschrittenen Stadium mehrere Jahre mit einer guten Lebensqualität zu erleben. Die Therapien wirken dabei immer mehr gegen spezifische Merkmale des Tumors. Für spezifische Subtypen, die eine besondere Mutation aufweisen, ist mittlerweile schon eine gezielte Therapie verfügbar.
Kommunikation
Durch Corona massiv beschleunigt haben moderne Kommunikationsmittel wie Telemedizin oder Online Konferenzen in den Alltag Einzug gehalten. Interdisziplinäre Konferenzen und Fallbesprechungen mit Kollegen aus mehreren Häusern funktionieren mittlerweile reibungslos unabhängig davon wo der Arzt tätig ist, wodurch die Qualität in der Behandlung und Entscheidungsfindung deutlich verbessert werden kann.
Zusammenfassung
Innovationen sind aus der Medizin nicht wegzudenken. Die Urologie bildet dabei seit jeher eine Speerspitze, die diese Innovationen in bessere und schonendere Verfahren für Patienten umsetzt. Speziell in der Diagnostik und Therapie des Prostatakrebs konnten insbesonders in den letzten 10 Jahren deutliche Fortschritte erzielt werden.
von Priv.Doz.Dr. Stephan Hruby, FEBU
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