Stammzellen – Wunder der Evolution und potente Waffe der Medizin

Die erstaunliche Fähigkeit von Stammzellen, sich in jedes Gewebe, in jede Zelle im gesamten Organismus verwandeln zu können, wird in der Medizin immer erfolgreicher für eine Vielzahl von heilenden und regenerierenden Therapien genützt. Vom Haut-, Blut-, Knochen- oder Knorpelersatz bis zu Gentherapien bei Erbkrankheiten. Salzburger Forscher sind vorne mit dabei.

Alle Zellen unseres Körpers teilen sich ständig, bilden neue Zellen, reparieren  und erneuern so unentwegt den gesamten Organismus – Blut, Haut, Knochen, Knorpel, Bänder, Fettgewebe und alle Organe. Es dauert sieben bis zehn Jahre bis alles komplett neu ist. Nach spätestens zehn Jahren, wenn dann auch noch die letzte Fettzelle erneuert ist, sind wir nicht mehr der Mensch, der wir davor waren. Zumindest was die rund 35 Billionen Zellen betrifft, die in ihrer Gesamtheit den menschlichen Körper bilden. 

Möglich machen das die Stammzellen, die jede Art menschlichen Gewebes  herstellen und somit auch erneuern können. Nicht nur bei Mensch und Tier, auch bei Pflanzen ist das so. Stammzellen sind das Wunder der Evolution, bei deren ständiger Teilung auch ständig viel Neues entsteht seit es Leben gibt.

Zum Beispiel ein neuer Mensch. Schon wenige Stunden nach der Befruchtung der Eizelle verfügt die embryonale Stammzelle über die wunderbare Fähigkeit, einen kompletten menschlichen Organismus entstehen zu lassen. Diese omnipotente Fähigkeit geht zwar bald wieder verloren, aber im weiteren Verlauf bilden sich adulte Stammzellen, die auch noch sehr viel – nämlich fast alles außer einen neuen Menschen entstehen zu lassen – können. 

Das sind „multipotente“ adulte Alleskönner-Stammzellen, die sich in jede Art von Gewebe – ob Knochen, Blut, Hirn oder Netzhaut der Augen – ausdifferenzieren können, je nachdem, in welcher Umgebung sie sind und wo sie gerade gebraucht werden. Im Knochenmark etwa, dem Sitz der Blutstammzellen, werden so jeden Tag mehrere Milliarden neue Blutzellen produziert. 

Mediziner sind begeistert von den Möglichkeiten

Die medizinische Forschung befasst sich schon seit vielen Jahren mit Stammzellen und verknüpft damit große Hoffnungen, um mit ihrer Hilfe wirksame Therapien zu entwickeln. Was immer öfter auch tatsächlich gelingt. Es kommt zu teils spektakulären Erfolgen der Forschung, über die in den Fachmedien in immer kürzeren Abständen geradezu begeistert berichtet wird. Vor allem in Verbindung mit der Genschere CRISPR, die es ermöglicht, gezielt in die DNA einer Zelle einzugreifen, knüpfen sich große Hoffnungen. So zeichnet sich etwa ab, dass mit Hilfe von Stammzellen-Gentherapien und CRISPR die gefürchtete Lungen-Erbkrankheit Mukoviszidose, die die Lebenserwartung junger Menschen dramatisch verkürzt, besiegt werden kann.

Salzburger Forscher helfen „Schmetterlingskindern“

Es waren Salzburger Forscher, die mit einer neuartigen, auf Stammzellen basierenden Therapie gegen das Leiden der sogenannten Schmetterlingskinder, die an der Erbkrankheit Epidermolysis Bullosa (EB) leiden, große Beachtung gefunden haben. Über die Ex-vivo-Stammzellgentherapie, die vor einigen Jahren bei einem lebensgefährlich an junktionaler EB (JEB) leidenden Buben als lebensrettende Maßnahme angewendet worden ist, wurde weltweit berichtet. Seit einigen Jahren wird im Paracelsus-EB-Haus in Salzburg als Alternative zur Genersatztherapie, mit der diese Lebensrettung des Kindes gelungen ist, an moderneren Gentherapiemethoden, speziell mit Hilfe der Genschere CRISPR geforscht. 

Zellersatztherapien

Ein Ziel der Stammzellforschung ist es, neue Strategien zu entwickeln, um erkrankte, verletzte oder vorzeitig abgenützte Gewebe zu reparieren oder zu ersetzen. Dies soll durch die Transplantation von Stammzellen oder daraus gezüchteten, reiferen Zellen geschehen.

Die Fähigkeit von Stammzellen, verschiedenste Gewebe zu produzieren, ermöglicht es, im Körper fehlende Zelltypen nachwachsen zu lassen – durch lokale Injektion von Stammzellen, oder man züchtet (ex vivo) die benötigten Zellen im Labor und implantiert sie. So ist es bereits gängige Praxis, aus dem Knochenmark Blutstammzellen zu entnehmen und diese Krebspatienten nach Chemo- oder Strahlentherapien, die regelmäßig viele Blutzellen zerstören, einzusetzen. Auch zur Behandlung von Leukämie werden diese verwendet. Es besteht große Hoffnung, Krankheiten wie Rheuma, Diabetes, Herzdefekte, verschiedene Bluterkrankungen, Parkinson, Alzheimer und Multiple Sklerose einmal mithilfe von Stammzelltherapien heilen zu können. In Tierversuchen ist dies bereits teilweise gelungen.

Tissue Engineering – Regenerative Medizin

Die Methode des Tissue Engineering (Gewebezüchtung) stellt ein weiteres Einsatzgebiet für Stammzellen dar. Es handelt sich dabei um eine multidisziplinäre Technologie, bei der Stammzellen sowie extrazelluläre Bestandteile (biologische und synthetische) verwendet werden, um im Labor verschiedene „Gewebe“ zu entwickeln, die wieder implantiert werden sollen. Tissue Engineering soll es einmal ermöglichen, komplexe Organe wie zum Beispiel die Leber außerhalb des menschlichen Körpers zu züchten, so die Vision. Dies erscheint derzeit aber noch schwierig, weil dafür alle Zellen optimal mit Sauerstoff und Nahrung versorgt werden müssen und sich das gezüchtete Gewebe in den Organismus einfügen muss ohne Abstoßungsreaktionen udgl. nach sich zu ziehen.

Am besten erforscht ist derzeit die Herstellung von vitalem Hautersatz, der vor allem bei Personen mit großflächigen Verbrennungen benötigt wird. Darüber hinaus können bereits Knochen oder Knorpel gezüchtet werden, die in der Orthopädie bzw. der Zahn-, Kiefer- und Knochenchirurgie zur Anwendung kommen. 

Rechtliche Situation

Die Forschung an Stammzellen, vor allem, wenn es sich um die ersten Keimzellen des menschlichen Lebens, den embryonalen Stammzellen handelt, wirft heftig diskutierte ethische Fragen auf. Ob menschliche Embryonen für die Gewinnung embryonaler Stammzellen extra hergestellt bzw. geklont werden dürfen, ist rechtlich in Europa unterschiedlich geregelt. Zwar gibt es EU-weite Richtlinien, jedoch können diese in den einzelnen Ländern unterschiedlich ausgelegt werden, und so steht es im Prinzip jedem Land frei, über die Verwendung und Handhabung von Stammzellen zu entscheiden.

In Österreich gibt es keine eindeutige Regelung zur Gewinnung, Einfuhr oder Verwendung von embryonalen Stammzellen. Die Reglementierungen zur Stammzellforschung wurden aus dem Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG, letzte Änderung 2015) abgeleitet, welches Bestimmungen für die „Verwendung, Untersuchung und Behandlung von Samen, Eizellen und entwicklungsfähigen Zellen“ enthält. So gilt in Österreich ein Verbot der Forschung mit menschlichen Embryonen. Die Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus Embryonen, die bei künstlichen Befruchtungen übrig bleiben, ist verboten. Nach dem österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetz dürfen entwicklungsfähige Zellen, also Embryonen, nicht für andere Zwecke als für die medizinische Fortpflanzung verwendet werden. Forschung mit pluripotenten embryonalen Stammzellen, die im Ausland bereits entnommen und dann importiert wurden, ist in Österreich nicht verboten. Hier gibt es also einen gewissen Graubereich. Das Forschen an induzierten pluripotenten Stammzellen, das sind sogenannte iPS-Zellen, die durch künstliche Reprogrammierung von menschlichen Körperzellen entstanden sind, ist in Österreich wie in vielen anderen Ländern erlaubt.

Das derzeitige Recht in den USA sieht kein Verbot der Entnahme von Stammzellen aus menschlichen Embryonen vor, wobei jeder Bundesstaat eigenständig entscheiden kann.

Im Menschenrechtsübereinkommen zur Biomedizin des Europarates wird die Erzeugung menschlicher Embryonen für Forschungszwecke ausdrücklich verboten. Außerdem ist es nicht erlaubt, ein menschliches Lebewesen zu erzeugen, das mit einem anderen genetisch identisch ist. Das Übereinkommen wurde aber noch nicht von allen Mitgliedsstaaten unterzeichnet.

In Großbritannien ist die Forschung an menschlichen Embryonen innerhalb der ersten 14 Tage (ca. 1 mm Größe) zu bestimmten Zwecken erlaubt. Dabei stehen das therapeutische Klonen und speziell die Stammzell-Technologie im Mittelpunkt. Aber auch therapeutisches Klonen soll dort nur mit den eigenen Körperzellen der Erkrankten, die das gezüchtete Gewebe benötigen, möglich sein.

Das Salzburger Magazin für Medizin, Gesundheit und Freizeit

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